„Die Werbung ist tot, aber sie lächelt noch“, verkündete der Fotograf Oliviero Toscani (1996, S. 15) vor zehn Jahren, als er sich zusammen mit der Kleidermarke Benetton von der bis dahin sehr harmonischen Werbelinie verabschiedet hatte und mit schockierenden Bildern nach neuen Möglichkeiten für mehr Aufmerksamkeit suchte. Inzwischen ist es um Benetton und seinen Fotografen ruhig geworden, Toscanis Aussage hat hingegen für die Kommunikationspolitik von Unternehmen nicht an Gültigkeit verloren.
Zwar bindet klassische Werbung noch über 50 Prozent betrieblicher Kommunikationsbudgets, doch eine Verlagerung zeichnet sich seit längerer Zeit ab (GfK & Wirtschaftswoche, 2006, S. 17). Verantwortlich dafür ist mitunter die schwindende Akzeptanz von Werbung in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio und Kinos sowie der Aussenwerbung. In Deutschland werden Konsumentinnen und Konsumenten täglich mit bis zu 3000 unterschiedlichen Werbebotschaften konfrontiert. Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Münchner Marktforschungsunternehmens IMAS International im Februar 2005 nimmt aus diesem Grund der Anteil derer, die sich von Werbung gestört fühlen, deutlich zu (Meier, 2005, S. 22). Als Konsequenz der Informationsflut, die zu einem regelrechten Information Overload führt, sowie des wachsenden Widerstands gegen Werbung treffen Werbebotschaften bei Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt auf Reaktanzen. Die Folgen sind Phänomene wie Wegschalten (engl. Zapping) bei Fernsehen und Radio sowie Überblättern (engl. Zipping) bei Printmedien (Bruhn, 2005, S. 256 ff.).
In vielen Branchen haben Unternehmen nicht nur gegen die geringere Werbewirkung, sondern auch mit verschärften Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen. Die Individualisierung der Nachfrage stellt bei wachsendem Kommunikationswettbewerb eine besondere Herausforderung dar. Verbunden mit der zunehmenden Segmentierung der Märkte, ansteigender Internationalisierung sowie der Verkürzung der Produktlebenszyklen führt diese rasante Entwicklung zu einem Meer von Marken und Produkten mit zunehmender Austauschbarkeit (Esch & Wicke, 2000, S. 12 ff.). Alleine in der Schweiz sind mehr als 500’000 Marken registriert (Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum [IGE], 2002).
Auch der Schweizer Markt von Openair-Musikfestivals hat den verstärkten Wettbewerbsdruck zu spüren bekommen. Anfang 2005 kündete der Basler Veranstalter Act Entertainment AG in Interlaken ein neues Openair der Superlative an. Dank der Zusammenarbeit mit deutschen Agenturen liessen sich internationale Bands gleich für mehrere Auftritte an verschiedenen Festivals während eines Wochenendes engagieren, was erhebliche wirtschaftliche Vorteile für das Greenfield Festival im Berner Oberland versprach. Die Swiss Music Promoters Association (SMPA) und mehrere Festivalveranstalter versuchten daraufhin, eine Zusammenarbeit ihrer Sponsoren und Medienpartner mit dem neuen Festival zu verhindern. Das gelang ihnen allerdings nur mit beschränkter Wirkung (Hubschmid, 2005, S. 47; Joyce, 2005, S. 55). Das Festival hat gleich bei seiner ersten Ausgabe überraschenden Erfolg verzeichnet. Diese zusätzliche Konkurrenz zwingt die bestehenden Veranstalter zu Innovationen und verstärkter Kommunikation, damit sie aus der Vielzahl von Festivals herausragen und ihre jugendlichen Besucherinnen und Besucher nicht verlieren.
An der jungen Zielgruppe sind indes nicht nur die Veranstalter selber interessiert. Alle grossen Openair-Musikfestivals in der Schweiz bieten für entsprechende Gegenleistungen Kommunikationsplattformen für Grossbanken, Detailhandelsketten, Getränkehersteller und andere Unternehmen.
Allianzen zur Stärkung der eigenen Marke
Und bei keinem dieser Festivals fehlen Medienmarken als Partner. Mit der Präsenz an
Openair-Musikfestivals stellen sich Medienunternehmen den Herausforderungen ihres Umfelds. Die schwächere Werbewirkung der klassischen Werbung schlägt sich in ihren Erfolgsrechnungen nieder. Sie beklagen einbrechende Einnahmen für klassische Werbeformate. Gleichzeitig sinken die Auflagenzahlen bei vielen Printmedien. Gratiszeitungen wie 20 Minuten sowie neue Medien im Internet gestalten zudem die Medienlandschaft um. Selbst wenn sie in der Schweiz im Vergleich zum Ausland noch als sehr vielfältig bezeichnet werden kann, findet auch hier im Hintergrund eine starke Flurbereinigung statt, indem sich Medienunternehmen zusammenlegen und immer grössere Medienkonzerne entstehen (Schumacher, 2004; Stadler, 2003).
Diese Entwicklung zwingt Medienunternehmen mitunter zum Einsatz neuer Marketing- und Kommunikationsmassnahmen. Dabei geht es primär darum, dass ein Medium sein Publikum an eigene Inhalte binden und somit anderen Wettbewerbern Marktanteile streitig machen kann, weil der Medienmarkt weitgehend erschlossen ist: „In der Schweiz liegt der durchschnittliche Medienkonsum pro Kopf und Tag derzeit bei 386 Minuten. Seit 1990 betrug die Steigerung trotz eines boomenden TV-Angebots lediglich elf Prozent, und für die kommenden Jahre ist mit einer weiteren Verflachung der Nutzungszunahme zu rechnen“ (Grossenbacher, 1999).
Eine Möglichkeit zur Stärkung der eigenen Medienmarke und für den erleichterten Zugang zu jungen Zielgruppen bieten strategische Allianzen mit anderen Unternehmen. Zum Beispiel mit Openair-Musikfestivals. Solche Allianzen werden in der Praxis häufig als Medienpartnerschaften bezeichnet. Die Zusammenarbeit zwischen Medienunternehmen und Openair-Musikfestivals ist zwar kein neues Phänomen. Doch die gegenseitige Beziehung ist bis jetzt nur spärlich dokumentiert worden, obwohl die verstärkte Präsenz von Medienunternehmen an Festivals für Besucherinnen und Besucher offensichtlich geworden ist.
Aus diesem Grund hat der Autor das kommunikative Zusammenspiel zwischen Festivalveranstaltern und Medienunternehmen im Rahmen seiner Masterthese an der Donau-Universität in Krems mit einer empirischen Studie untersucht. Daran teilgenommen haben einerseits die drei Veranstalter der Openair-Musikfestivals in Gampel, St. Gallen und Tufertschwil. Sie alle führten im Sommer 2005 ein mehrtägiges Festival mit mindestens 30000 Besucherinnen und Besuchern durch. Zudem bieten sie alle eine Plattform für kommunikative Auftritte anderer Marken und sind 2005 mit einem oder mehreren Medienunternehmen Partnerschaften eingegangen.
Andererseits waren relevante Medien der Deutschschweiz gefragt, die 2005 mit einem
oder mehreren Openair-Musikfestivals eine Kommunikationskooperation eingegangen waren und neben dem redaktionellen Inhalt ebenfalls eine Plattform für kommunikative Auftritte anderer Marken bieten. Diese Kriterien haben das Schweizer Fernsehen (SF), das Schweizer Radio DRS 3 sowie die Tageszeitung 20 Minuten am besten erfüllt. Sämtliche Aussagen der befragten Fachpersonen beziehen sich auf die im Jahr 2005 eingegangenen Medienpartnerschaften.
Terminologie für Medien zu ungenau
Bei den drei Festivalveranstaltern deckt sich das Verständnis von Medienpartnerschaften weitgehend. Sie benutzen alle den Begriff Medienpartnerschaft für die Kooperation mit Medien und fassen Medienpartnerschaften als Kommunikationskooperationen auf.
Linus Thalmann vom Openair Tufertschwil verwendet für die Zusammenarbeit mit Medien den Begriff Medienpartner gegenüber dem Begriff der Sponsoren insbesondere auch deshalb, weil innerhalb einer Medienpartnerschaft kein Geld fliesst. Diesem Punkt pflichtet Petra Moser vom Openair St. Gallen ebenfalls bei.
Ein weniger klares Bild zeichnet sich auf Seite der Medien ab. Während 20 Minuten und DRS 3 ausschliesslich den Begriff Medienpartnerschaft verwenden, nennt das Schweizer Fernsehen die Zusammenarbeit mit Openair-Musikfestivals Veranstaltungspartnerschaft. Zudem stellt nach Ansicht von Marianne Schneebeli, Leiterin Werbung und Public Relations, die Kommunikationskooperation nur einen Teil der Veranstaltungspartnerschaft dar. Da eine Veranstaltungspartnerschaft bei SF immer Programmrelevanz aufweisen müsse und somit bei diesen Events stets Produktionsteams vor Ort seien, löse eine solche Zusammenarbeit immer auch Fragen aus, die nicht als direkte Bestandteile einer Kommunikationskooperation zu betrachten seien. Beispielsweise die Logistik oder die Publikationsrechte. Auch für Amina Chaudri, die sich bei DRS 3 um die Medienpartnerschaften kümmert, reicht die Zusammenarbeit mit Openair-Musikfestivals bei ihrem Programm oft über den reinen Kommunikationszweck hinaus: „Wir schauen nicht nur darauf, ob es eine Kommunikationskooperation ist, sondern der Fördergedanke ist vielerorts mit dabei. SR DRS geht zum Beispiel Medienpartnerschaften mit Schweizer Bands ein, die noch nicht bekannt sind.“
Noch weitläufiger fasst Stephan Obwegeser von 20 Minuten den Begriff Medienpartnerschaft auf. In seinem Verständnis zählen einerseits Kooperationen mit einzelnen Bands und Musiklabels dazu, andererseits auch die Akquisition neuer Kunden: „Wir schauen, dass wir nach Möglichkeit aus all diesen Engagements auch einen finanziellen Mehrwert für 20 Minuten rausziehen können. Wir versuchen mit jeder Partnerschaft auch noch einen Business Case aufzubauen. Für uns ist ganz wichtig zu sehen, welche Sponsoren mit im Boot sind, ob das bestehende Kunden sind, ob die schon was bei uns machen. Wenn nein, gibt es die Möglichkeit neues Business zu generieren, können wir irgendwelche Specials machen?“ Mit dieser sehr offenen Auffassung kommt 20 Minuten auf rund 200 Medienpartnerschaften pro Jahr.
Wie die unterschiedliche Auslegung des Begriffs verdeutlicht, kann eine Medienpartnerschaft nicht mit einer Kommunikationskooperation gleichgesetzt werden, die per Definition des Autors eine kurz- oder langfristige Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Unternehmen darstellt, die zur Erreichung individueller strategischer Kommunikationsziele gemeinsame Kommunikationsinstrumente und -mittel nutzt.
Will die Definition einer Medienpartnerschaft sowohl dem Verständnis der Festivals wie auch dem der Medienunternehmen gerecht werden, muss sie weiter ausholen, da sie das Sammelgefäss für die gesamte Zusammenarbeit darstellt. Das unverzichtbare Element bildet die Kommunikation (eigentlich die Kommunikationskooperation). Zusätzlich sind in Abbildung 1 auf der folgenden Seite die Bereiche Logistik, Produktion, Förderung, Publikationsrechte und Service enthalten. Diese Beispiele sind in den Interviews der empirischen Studie genannt worden, stellen jedoch keine abschliessende Aufzählung dar.
Unter Berücksichtigung dieser Erweiterung kann eine Medienpartnerschaft als eine kurz- oder langfristige Kommunikationskooperation einer Medienmarke mit mindestens einer weiteren Marke bezeichnet werden, die zur gegenseitigen Synergienutzung mit beliebigen Leistungen und Gegenleistungen ergänzt werden kann. Im Verständnis dieser Definition bleibt der Hauptgrund einer Medienpartnerschaft zwar nach wie vor die Kommunikationskooperation, sie lässt sich jedoch um zusätzliche Bestandteile ergänzen.